Josefstraße 5 | Der Mayer-Seppel

Hier war der Mayer-Seppel Zuhause.Josef Julius Mayer, genannt der Mayer-Seppel, wurde 1865 geboren. Er betrieb in seinem Wohnhaus in der damaligen Murgtalstraße 5 (heute Josefstraße) ein Tabakwarengeschäft.

Mayer bezeichnete sich selbst als „Vereinsmeier“. Er war im Vorstand der Großen Karnevals-Gesellschaft aktiv, engagierte sich bei der Feuerwehr, in einem Gesangverein und in vielen anderen Vereinen. Das Stadtarchiv besitzt eine Urkunde, mit der Mayers langjähriger Einsatz bei der Feuerwehr gewürdigt wird.

Der Mayer-Seppel im freiwilligen Sanitätscorps.1899 brachte der Verlag E. Greiser „Mayer-Seppels Rastatter Allerlei“ heraus. In dem 60-seitigen Büchlein im Oktav-Format waren Lieder, Gedichte, Rätsel und Witze, teilweise in Rastatter Mundart, veröffentlicht.

Das Stadtarchiv Rastatt besitzt ein Exemplar dieses Büchleins. In dieses ist ein handgeschriebener Brief Mayers eingeheftet, in dem er um Aufnahme seines Werks ins Archiv bittet. Und die Stadtverwaltung kam diesem Wunsch nach, wie ein mit Stempel und Unterschrift bestätigter Verwaltungsvermerk zeigt. Danach solle das Buch laut Stadtratsbeschluss im Archiv aufbewahrt werden.  Mayers gereimter Wunsch nach Archivierung liest sich so:

„Vielleicht in hunnert Johr dich find‘ / Im Rothaus oiner drunte.

Der hat dann sicher a e Fraid, / Dich im Archiv zu finde,

Un denkt, die gute alte Zeit / Die isch doch weit dohinte.“

Mayer-Seppels Wunsch, dass sein Buch der Nachwelt erhalten bleiben möge, ging in Erfüllung. Offenbar dachte niemand von den Nazi-Beamten während des Hitler-Regimes daran, dass im Archiv noch ein schriftliches Zeugnis des Mannes lag, dessen Existenz und Leben die braunen Machthaber vernichteten.

Dass Mayer-Seppel als aufrechter Patriot während des Ersten Weltkriegs in der Freiwilligen Sanitätskolonne gedient hatte (Foto), spielte keine Rolle mehr, als der von den Nazis angestachelte Volkszorn im November 1938 jüdische Geschäfte demolierte und plünderte. Laut Augenzeugenberichten wurden am 10. November (nach der von den Nazis verächtlich so genannten „Reichskristallnacht“) auch an Mayers Laden die Scheiben eingeschlagen. Unter den Plünderern, die sich an den „Rastatter Schlosscigarren“ gütlich taten, soll auch der damalige 1. Beigeordnete Kalnbacher gewesen sein.

So warb Josef Mayer für sein Geschäft.Dazu weiß die Rastatter Stadträtin Gudrun Eisenhauer eine Anekdote, die sie von ihrer Tante erzählt bekam: Das Dörfler Original „Ottole“, der immer einen „Stumpen“ im Mund hatte, wurde darauf angesprochen, dass er sich jetzt kostenlos Zigarren holen könne. Doch der biedere, aber grundehrliche Straßenfeger lehnte dies ab – gestohlene Zigarren wolle er nicht.

Josef Julius Mayer wurde im Oktober 1940 zusammen mit seiner Frau Cäcilia ins Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Dort starb er im Januar 1941, zehn Monate später starb seine Frau.

Hier noch eine Kostprobe aus Mayer-Seppels „Rastatter Allerlei“:

O Rastatt, Badens schönste Stadt, / Wer kann sich mit dir messen?

Sag‘ an, wer solche Strassen hat / In Bayern, Schwaben, Hessen.

Und zweifelst du des Lobes hier, / Soll anderes nicht fehlen:

Der Murgdamm, Rastatts schönste Zier / Der kann dir davon ‚was erzählen.